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Gauseköte, Winnfeld und Hangstein

Parkplatz Gauseköte - Winnfeld - Hangstein - Möllmannskamp - Gauseköte (11km)

Die Kurzgeschichte "Der Kampf auf dem Winfeld" von Otto Franzmeier war für mich der Auslöser, die nächste Wanderung zum Winnfeld zu planen, einem Hochplateau, welches sich südlich der Berlebecker Quellen erhebt. Die Schreibweise ist unterschiedlich, heute findet man den Namen hauptsächlich mit zwei "n", während der Name früher - zu Lebzeiten des Autors - nur mit einem "n" geschrieben wurde. Aber dies sind Nebensächlichkeiten. Wer einmal mit eigenen Augen und Ohren einen solchen Kampf verfolgt hat, dem zaubert Otto Franzmeiers Geschichte sofort die Bilder wieder vor die Augen. Diese Erzählung hatte ich im Gepäck, als ich mich auf den Weg machte.

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Der Wanderbericht

Die Kurzgeschichte "Der Kampf auf dem Winfeld" von Otto Franzmeier war für mich der Auslöser, die nächste Wanderung zum Winnfeld zu planen, einem Hochplateau, welches sich südlich der Berlebecker Quellen erhebt. Die Schreibweise ist unterschiedlich, heute findet man den Namen hauptsächlich mit zwei "n", während der Name früher - zu Lebzeiten des Autors - nur mit einem "n" geschrieben wurde. Aber dies sind Nebensächlichkeiten. Wer einmal wie ich mit eigenen Augen und Ohren einen solchen Kampf verfolgt hat, dem zaubert Otto Franzmeiers Geschichte sofort diese Bilder wieder vor die Augen. Diese Erzählung habe ich im Gepäck, als ich mich auf den Weg mache...

Heute wird es vermutlich ein sehr heißer Tag, dennoch entscheide ich mich spontan, die geplante Wanderung zum Winnfeld in Angriff zu nehmen. Meine Tour wird mich nach zwei Drittel der Strecke am Café Hangstein vorbeiführen und ich freue mich schon jetzt darauf, dort ein alkoholfreies Weizenbier zu trinken. Gipsy nehme ich nicht mit, denn auch wenn sie eine Südländerin ist, so ist sie inzwischen doch ein altes Mädchen geworden, da mag ich ihr die Hitze nicht zumuten.

Sie ist auch gar nicht beleidigt, als ich in meinen Kombi steige, und hebt nur einmal kurz den Kopf, bevor sie sich wieder lang auf dem Rasen ausstreckt. Ich fahre über die B1, nehme die Abfahrt nach Schlangen und fahre an Oesterholz und dem Kreuzkrug vorbei, ehe ich auf dem Parkplatz oben auf der Gauseköte halte. Den meisten ist es heute wohl zu heiß, denn es steht kein weiteres Auto hier. Ich schnappe meinen Rucksack und schlage einen Waldweg ein, der gleich hinter dem Parkplatz beginnt. Noch kann man es gut aushalten, es ist schattig und es geht ein leichter Wind. Es riecht herrlich nach Harz, der Boden hat hier noch einen hohen Sandanteil und so läuft es sich wunderbar.

Etwas später erreiche ich gut ausgebaute Wege, und die Gegend kommt mir bald bekannt vor. Ganz in der Nähe befindet sich der Elfengrund und da zurzeit die Fingerhüte blühen, die diese Lichtung für gewöhnlich überwuchern, überlege ich kurz, einen Abstecher dorthin zu machen. Angesichts des wärmer werdenden Tags und der Strecke, die ich heute vor mir habe, entscheide ich mich aber dagegen. Doch auch so wandere ich immer wieder an Lichtungen vorbei, die mit Fingerhüten übersäht sind, welche ihre leuchtend rosa Glocken in die Sonnen halten. Die Gegend ist sehr wildreich und immer wieder kann ich Dammwild beobachten, dass in kleinen Gruppen durchs Unterholz zieht. Es geht auf und ab und bald komme ich ordentlich ins Schwitzen, da muss ich den Hauptweg verlassen und biege auf einen kaum noch benutzten Weg in den Wald ein, der mich zum Winnfeld führen wird. Überall liegt Wildlosung auf dem Boden und ich scheuche Schwärme von Fliegen auf, die sich mit Begeisterung auf mich stürzen.

Zu meiner Rechten stehen dichte Fichten, die plötzlich einer größeren Lichtung weichen, auf der drei gewaltige Kastanien stehen. Ich habe schon viele Kastanien gesehen, aber diese hier gehören sicher zu den bisher größten und recken imposant ihre Äste in den blauen Himmel. Ich kann kaum fotografieren, immer wieder surren mir die Fliegen vor die Linse und so verharre ich nur kurz. Plötzlich öffnet sich der Wald und ich stehe auf einer Lichtung, beinahe so groß wie ein Bolzplatz. Dies muss das untere Winnfeld sein! Es wäre nicht so spektakulär gewesen, hätte nicht mitten auf der Wiese ein Hirsch mit stattlichem Geweih gestanden. Der Wind steht günstig und er hat mich noch nicht bemerkt. Vorsichtig setze ich den Rucksack ab, um die Kamera herauszuholen, aber als ich den Reisverschluß aufziehe, unterbricht der König dieser Wälder sein Äsen, schaut zu mir kurz herüber und verschwindet mit einem Grunzen im Schatten der Bäume. Dennoch: Dieser kurze Moment genügt, um mich mehr als hundert Jahre in der Zeit zurückreisen zu lassen. Mir ist, als stünden Otto Franzmeier mit den Jungen aus seiner Erzählung staunend neben mir. Auch wenn nicht wie damals der Vollmond die Lichtung vor mir in geheimnisvolles Licht hüllt und stattdessen hell die Sonne scheint, ist mir plötzlich sehr feierlich zumute. Dieses Gefühl lässt mich hier auch nicht mehr los und als ich das obere Winnfeld erreiche, gewährt es durch eine Schneise einen weiten Blick über das Paderborner Land, den ich eine Weile wehmütig genieße. Inzwischen stehen auf diesem Hochplateau überall hohe Bäume, aber was muss das früher erst für ein Ausblick gewesen sein!

 Dann passiere ich einige Bäume, die ich nicht recht einsortieren kann. Sie haben die makellose Form von Zuckerhüten, und ihr Grün errinert mich an Zypressen, doch diese wachsen wiederum nicht in dieser Form. Es sind so vollkommene Kegel, dass man beinahe meint, sie wären so geschnitten worden. Doch diese Mühe wird sich hier oben sicher niemand machen und dafür sind diese Bäume auch zu hoch. Ich nehme mir vor, dies später zu recherchieren und wandere weiter. Der Weg senkt sich hinab ins Tal, dem Hangstein zu, und bald sitze ich dort vor meinem kühlen Weizenbier. Bis hierher ist mir niemand im Wald begegnet und auch die Terrasse des Cafés ist leer, obwohl es sich hier trotz der Wärme sehr gut aushalten lässt.

Trotzdem mache ich mich bald wieder auf den Weg. Etwas unterhalb des Hangsteins bietet sich eine schöne Aussicht über das Tal auf den Johannaberg. Ein paar Kühe liegen in der Sonne und man könnte meinen, auf einer Alm in den Bergen zu stehen. Der Weg führt nun weit oberhalb der Paderborner Straße entlang, die sich zur Gausköte hinaufwindet. Zum Möllmanskamp erstreckt sich eine wunderschöne Lichtung hinauf, doch zum Rasten ist es einfach zu warm. Irgendwo in der Nähe soll auch ein Hügelgrab sein, aber ich kann es nicht entdecken. Da fällt mir ein, dass ich ja auch schauen wollte, ob von den ehemaligen Gestütsgebäuden auf dem Winnfeld noch eine Ruine übrig ist. Das habe ich glatt vergessen. Aber ich werde diese Wanderung sicher wiederholen und dann ist dafür immer noch Zeit. Etwas später hat man immer wieder schöne Fernsichten und auf der anderen Seite der Schlucht erhebt sich weithin sichtbar die Ruine der Falkenburg in der gleißenden Mittagssonne. Jetzt ist es richtig heiß und so bin ich doch ein wenig froh, als ich den Parkplatz wieder erreiche. Mit dem Einschalten der Klimaanlage endet dann auch diese schöne Zeitreise zum Winnfeld.

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Der Kampf auf dem Winfeld

Fürst Woldemar war schon tot, sonst hätten wir's sicher nicht gewagt, seinen geheiligten Wald anders als auf erlaubten Straßen und Wegen zu betreten. Wir aber waren mitten auf dem Winfelde, einem Hochplateau südlich der Berlebecker Quellen. Außerdem war es Mitternacht, als wir uns bei herrlichem Vollmond zu mehreren Jungen in Begleitung eines Erwachsenen an das Wild heranpürschten, und es war die Zeit der Brunft, wo die Hirsche röhren. Das hatte uns gelockt, und nach längerem Bitten hatten uns die Eltern die Erlaubnis zur nächtlichen Waldwanderung gegeben.

 Nach einem Anmarschweg von sechs Kilometern betraten wir den Wald, stiegen hinter den Quellen auf die Höhe und befanden uns schließlich auf dem Winfelde. Mit allen Schlichen der Indianer arbeiteten wir uns geräuschlos vorwärts, immer gegen den Wind gehend, bis wir plötzlich in einer Entfernung von vielleicht nur hundert Metern ein ohrenbetäubendes, langgezogenes Tönen hörten. Das war so furchtbar, so stark und unheimlich, dass wir beinahe zusammensackten und uns wie schutzsuchend bei den Händen fassten. Wir standen unter einer mächtigen Buche und wagten nicht, uns zu rühren. Unsere Herzen klopften hörbar, unsere Sinne waren hellwach.

Da erscholl das mächtige Urtönen aufs neue, wieder langgezogen, dann stossweise, und schließlich röchelnd verhallend. Es war der Brunftschrei eines mächtigen Hirsches, als Kampfschrei an seinen Gegner und Nebenbuhler gerichtet. Nie im Leben hätte ich's für möglich gehalten, dass ein Tier solch urgewaltiges Tönen hervorzustossen vermöchte, das in der Stille der Nacht nur noch unheimlicher wirkte.

Da erscholl von der Gegenseite des Winfelds die Antwort des Geforderten. er hatte die Aufforderung verstanden und schmetterte gleichfalls sein zorniges Röhren in die Nacht. Das versetzte den ersten Kämpen, der uns am nächsten stand, in masslose Wut. Wir hörten, wie seine Läufe mit den harten Hufen den Waldboden stampften; dann brach er vorwärts auf seinen Gegner zu und stand plötzlich, vom Vollmond beschienen, vor uns auf der Waldblöße.

Es war ein unerhört schönes Bild, diesen König der Wälder in stolzer Kampfhaltung zu sehen, wie er wieder und wieder seine Erbitterung, seine Kampfeslust, seine Glut und Wut hinausschrie, bis nur noch ein röchelndes Stöhnen verebbte und über die Heide zitterte.

 Der Gegner antwortete und kam näher. Dann standen sie beide im milchweißen Vollmondlicht, jeden Muskel gespannt, nur noch wenige Meter voneinander entfernt. Und siehe da, dort am Waldrande rechts ein ganzes Rudel weiblicher Hirsche, die aus respektvoller Entfernung beobachten wollten, wer Sieger blieb, um sich dann willig ihm zu eigen zu geben. Da war der Kampf auch schon entbrannt.

 Wir Zuschauer unter der Buche sahen, wie beide Kämpfer den Kopf mit dem stolzen, vielzackigen Geweih senkten. Dann rannten sie aufeinander los, und nun sahen wir nichts mehr als zwei ineinander verbissene Gegner, Staub und Heidekraut flogen umher. Die Erde erdröhnte vom Gestampf der Hufe, und hart schlugen wieder und wieder die Geweihe aneinander.

 Das ging viele Minuten so fort, die uns wie Ewigkeiten vorkamen. Unsere Herzen schlugen bang, denn wir verfolgten leidenschaftlich den Ausgang des Kampfes. Da stöhnte plötzlich der eine Kämpe wehe auf und lag am Boden, regungslos, wie tot. Der andere aber, der uns zunächst stand, der Herausforderer, richtete sich stolz auf, trompete noch einmal seinen Siegerruf hinaus und blickte zur Seite, wo das weibliche Rudel stand. Dann schritt er langsam von dannen, das ganze Rudel willig hinter ihm her. Der Besiegte stellte sich nach einiger Zeit wieder mühsam auf die Beine und trollte allein und wie beschämt nach der anderen Richtung ab.

 Als wir kaum wieder zu atmen wagten, erdröhnte der Boden des Winfeldes von neuem, aber hundertfach verstärkt und an Kraft ständig zunehmend. Da sahen wir uns bange an und hielten uns immer noch dicht an dem Stamm der alten Buche. Die wilde Jagd brauste heran.

 Aus den Nebelschwaden, die gespenstisch über die Heide streiften, stürmten in rasendem Galopp die Sennerpferde geradewegs auf die hohe Tannenhecke zu, die vom Fürsten Woldemar zu Fasaneriezwecken angelegt worden war. Da, wo in der dichten Hecke eine etwas tiefere Stelle war, setzte das Leittier mit elegantem Schwung hinüber und alle übrigen Tiere, Stuten und Füllen, ihm nach.

 Trotz unserer ängstlichen Spannung kannte unser Entzücken keine Grenzen, solch wundervoller Anblick war es, diese herrlichen Pferde, besonders die Füllen, zu beobachten, wie sie in edelster Feinheit ohne jede Hemmung gleichsam federnd über die hohe und breite Tannenhecke setzten.

 In Sekundenschnelle, wie er gekommen, war der schöne, nächtliche Spuk auch schon vorüber. Nur in der Ferne hörten wir noch, mehr und mehr verhallend, das Gestampfe der flüchtigen, gallopierenden Sennerpferde. Was sie aus ihrer nächtlichen Ruhe aufgescheucht hatte, ist uns nicht bekannt geworden.

Aus "Land des Glücks, Kindheitserinnerungen aus einer kleinen Residenz"
von Otto Franzmeier

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Fotografien

Band 1: Winterland

Band 2: Die Rückkehr